Wir leben in einer total verrückten Zeit
Täglich zeigen uns die sozialen Medien, das Internet und auch das echte Leben wie sehr sich unsere Gesellschaft verändert. In einer nie dagewesenen Geschwindigkeit. Ich kann mich noch gut an meinen Lehrmeister erinnern. Er hatte in den frühen 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts seinen Meistertitel erlangt – und dann 5 Jahrzehnte nicht wirklich etwas dazu gelernt. Also rein beruflich. Die Zeit bis in die 90er Jahre war ja relativ statisch, gemessen mit heutigen Maßstäben. Mein Lehrmeister war nie eine Marke, das war noch nicht mal sein Plan. Er konnte damals recht gut von seinem 8 Mitarbeitern im Unternehmen leben, und merkte erst in späten 90ern dass es so nicht mehr geht.
Die Zeiten ändern sich – und die Zeiten ändern Dich. Sollten sie zumindest.
Noch so ein Spruch: wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.
Und unsere Zeit erfordert eben sich zur Marke zu machen! Sein Unternehmen zu „markieren“ und damit eine Marke zu setzen. Unsere Sprache gibt ja schon vor, dass es verdammt wichtig ist als Marke zu gelten. Beispiele gibt es da genug:
Dir läuft die Nase? Dann benötigst Du ein „Tempo“, kein „Papiertaschentuch“
Du trinkst eine Cola, kein Koffeinhaltiges Limo
Wenn Du im Netz etwas suchst, dann googelst Du
Und so weiter. Viele Alltäglichkeiten sind ganz eng mit Marken verknüpft. Marken sind wichtig, weil sie Expertise ausstrahlen, Glaubwürdigkeit mitbringen und, wenn sie lange genug erfolgreich im Markt sind, eher selten bis nie mehr hinterfragt werden. Als Handwerkermarke gelingt es deutlich leichter, aus dem tagtäglichen Preiskampf herauszukommen.
Aber wie wirst Du zur Marke? Wollen das nicht Alle? Reicht es einfach nur eine Marke zu kreieren? Ein tolles Logo und los geht’s? Was macht eine Marke zur glaubwürdig, und vor allem, zur starken Marke?
Wir wissen doch alle, dass klassische Werbe und Markenbotschaften schon lange nicht mehr funktionieren. Also nein, es genügt nicht sich einfach ein Logo aufzupinnen und zu sagen hier bin ich und das ist meine Marke. Gerade im Handwerk ist diese Meinung aber weit verbreitet. Und viele Handwerksunternehmer wundern sich dann, dass es mit einer Webseite für 5000 Euro und einer neuen Fahrzeugbeklebung inkl. Briefkopf immer noch nicht funktionieren will. Natürlich sind diese Dinge auch wichtig, aber eben bei weitem nicht ausreichend. Die Zielgruppe, die potenziellen Kunden der Handwerker, kapituliert ja nicht vor der Vielzahl von Werbebotschaften, welche die Handwerker so aussenden. Die meisten Kunden haben diese traditionellen und oft plumpen Werbebotschaften eh satt.
Kein potenzieller Kunde glaubt heute noch ernsthaft, dass Ariel weißer wäscht oder Gillette noch glatter rasiert. Es ist heutzutage für den Verbraucher ein Leichtes zu vergleichen, es ist einfach im Internet nach ähnlichen oder sogar gleichwertigen Angeboten und Unternehmen zu suchen.
Doch wenn viele Handwerker mehr oder weniger dasselbe anbieten - und können, nach welchen Kriterien fällen dann die Kunden ihre Kaufentscheidung? Wenn Du etwas kaufen willst, und es gibt 10 Anbieter für vordergründig genau das Gleiche, über welches Kriterium triffst Du dann deine Kaufentscheidung?
Über welches Kriterium trifft ein potenzieller Kunde eine Kaufentscheidung? Was ist bei vergleichbarer Leistung der auslösende Punkt. Und es ist völlig klar. Du spürst es möglicherweise täglich. Ganz klar, bei vergleichbarer Leistung zuallererst über den Preis. Amazon zeigt uns doch genau das, – ein Artikel, 10 Anbieter – und es geht um den Preis!
Das führt dann zu genau dem ruinösen, suizidalen Wettbewerb in dem sich das Handwerk seit Jahrzehnten befindet.
Es geht aber auch nach ganz anderen Kriterien. Der moderne, gutverdienende Kunde ist kein passiver Käufer. Er glaubt nicht jede dumpfe Werbeaussage nach dem Motto „vom Osten bis zum Westen sind wir die allerbesten“
Seine Werte liegen deutlich höher. Ich würde es einen echten Wertewandel nennen. Manche Unternehmen haben das bereits erkannt. Du kennst sicher die Kaffeewerbung, bei der es um die Kaffeebauern in Südamerika geht, um deren Lebensbedingungen und faire Preise. Genau das ist es. Die Großen Unternehmen haben den Wertewandel verstanden. Sie haben verstanden, dass es um mehr geht als den Preis. Es geht um das Vertrauen der neuen Kunden, die Bedürfnisse von selbstbewussten und mündigen Verbrauchern. Es geht also schon ein wenig auch um Philosophie.
Gutverdiener sind im Regelfall eben auch aktive Konsumenten. Sie treten mit dem für sie potenziell interessanten Dienstleistern in Dialog. Sie wollen erkennen um welche Werte es sich bei einem Unternehmen handelt, welche Werte der Unternehmer lebt. Der gelebte Wert eines Dienstleistungsunternehmens soll auch zum persönlichen Lebensstil passen, er soll kompatibel sein im eigenen sozialen Umfeld, im Familien- und Freundeskreis.
Der Kunde möchte mit gutem Gewissen „seinen“ Handwerker beauftragen. Und er möchte stolz darauf sein können eben genau diesen Handwerker beauftragt zu haben. So wie das Auto vor der Tür, soll auch der megatolle Handwerker mit seinen Leistungen den persönlichen Lebensstil definieren.
Robert Paulus